"Gaukler über 60 Jahr" - und Sänger?
Von: Holger Kankel
Schauspielerlegende
Armin Mueller-Stahl (M.), Günther Fischer (l.) und Tom Götze (Tuba) auf
der Bühne des Schwerin Kinos Capitol Foto: Klawitter
Ein Konzert mit Armin Mueller-Stahl ist mehr als ein Konzert mit
Armin Mueller-Stahl. Das hat diesen seltsamen Abend gerettet. Irgendwie.
Denn gemeinsam mit dem 80-jährigen Schauspieler, der in drei Ländern
zum Star wurde, in den beiden Deutschland und dann auch in den USA,
stand da am Montagabend eine Legende auf der Bühne des Schweriner
Capitol. Und einer Legende kann selbst die Legende selbst nur schwer
etwas anhaben.
Das Konzert beginnt unaufgeregt. Armin
Mueller-Stahl kommt gemeinsam mit seinen drei Musikern auf die nur
schwach beleuchtete Bühne. Schwarze Anzüge, schwarze Hüte. Das Höchstmaß
an Theatralik an diesem Abend. Die Musiker und der Star mit der Geige
stimmen scheinbar ihre Instrumente. Dann das erste Lied. Kein Gruß an
das Publikum. Sind wir denn hier bei Bob Dylan?
"Nun wart ich
jede Stunde" ist ein Abschiedslied, die Gedanken eines Liebenden, der
seiner Geliebten jenseits der Mauer hinterhertrauert. Das Lied hat Armin
Mueller-Stahl wie die anderen auf dem Album "Es gibt Tage…" vor 45
Jahren geschrieben. In der DDR. Es sind leise Lieder, mit gewollt naiven
Texten, voller Sprachbilder, die eines sagen und anderes meinen.
Fabeldichter standen Pate, und so bevölkern Flöhe und Spinnen, Spatzen
und blaue Kühe diese Lieder. Nahezu impressionistisch kommen manche
Texte daher, wenn eine Kuh aufhört zu träumen und Blitze den Bass
zupfen. Hüte wollen neue Köpfe, weil ihnen die alten zu dumm geworden
sind. Marie hat eine große Schnüffelnase, ihr Mann riesige Ohren, das
Kind einen zu großen Mund.
Ein Lied über die Stasi, erläutert
Mueller-Stahl überflüssigerweise und beginnt nun doch, hin und wieder
ein wenig zu plaudern und zu rezitieren. Eine gute Idee des großen
Schauspielers mit der markanten, rauchigen Stimme, der leider kein
großer Sänger ist. Genau genommen gar kein Sänger. Zumindest bleibt er
an diesem Abend und mit diesen Liedern, die er in einer Art Sprechgesang
vorträgt, den Beweis dafür schuldig.
Während die mit Metaphern
verschlüsselten, meist hintergründig-komischen Texte vom Leben in der
Ehemaligen erzählen, sind Armin Mueller-Stahl in seinen Liebesliedern
und Gedichten über die Kindheit anrührende kleine Werke gelungen, die
über die Entstehungszeit hinaus gültig sind - "Ist kein Salz mehr in der
Träne, ist die Liebe ohne Glut". Mit dem "Brief an den toten
Geliebten", entstanden als Echo auf den Vietnamkrieg, könnte heute genau
so eine Frau irgendwo in der Welt um ihren Mann trauern.
Eine
Ahnung, wie dieses Programm auch hätte inszeniert werden können,
scheint auf, als der Star des Abends sein autobiographisches Gedicht
"Bin schon Gaukler über 60 Jahr", nein, nicht singt, sondern gekonnt
rezitiert.
Als Armin Mueller-Stahl, der auf eben dieser Bühne im
Jahr 2001 mit dem Ehrenpreis des Schweriner Filmkunstfestes
ausgezeichnet wurde, in einem Gedicht von Heimat erzählt und sie mit
einem "Stück Gras aus der Kinderzeit" vergleicht, beginnt Tobias
Morgenstern auf dem Akkordeon leise eine Improvisation über das alte
Kinderlied "Ach du lieber Augustin".
Womit nunmehr endlich die
Künstler ins Spiel kommen, die den eigentlichen musikalischen Part
dieses Abends bestreiten. Armin Mueller-Stahl verdient die Besten, und
er hat die Besten bekommen. Neben Tom Götze an Kontrabass und Tuba
stehen also Tobias Morgenstern und Günther Fischer auf der Bühne. Mehr
muss eigentlich nicht gesagt werden. Morgenstern, neben zahlreichen
Soloprojekten auch bekannt aus Gruppen wie Bayon oder L’art de Passage,
geht mit seinem Akkordeon gut und gern als ganzes Orchester durch, er
gibt den Liedern Tiefe und Wärme, während Günther Fischer am Klavier und
mit seinem Markenzeichen, dem Saxophon, der musikalische Boss auf der
Bühne ist. Er ist mit Mueller-Stahl und diesen Liedern, die er nun neu
arrangiert und vorsichtig modernisiert hat, schon vor 40 Jahren durch
DDR-Klubs gezogen. Und als hoch geachteter Filmkomponist ("Schöner
Gigolo, armer Gigolo") passt er natürlich so recht zu dem
Schauspielstar. Dass dann ausgerechnet Fischers Hit "Soly Sunny" zum
Höhepunkt des Abends wird, spricht für sich.
Das Publikum
jedenfalls dankte nach zwei Zugaben für ein nostalgisch-literarisches
Jazzkonzert mit freundlichem, nach und nach sogar stehendem Applaus.
Armin
Mueller-Stahl, der zur Freude seiner Fans auch ein wenig Geige spielte,
wollte an diesem Abend, wie er verkündete, das Pianissimo über das
Fortissimo triumphieren lassen. Leise vor laut. Das ist ihm gelungen.
Den Schauspieler, Maler und Autor haben wir nun auch als Sänger erlebt.
Man kann nicht alles können.
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