26.12.2010, 12:41 Uhr
Elf Milliarden Euro Defizit beklagen die deutschen Städte (Foto: imago) Die
schwerste Wirtschaftskrise seit vielen Jahren ist vorbei, und die
Steuereinnahmen steigen wieder. Eigentlich sollte es wie Bund und
Ländern auch den deutschen Städten im einsetzenden Aufschwung besser
gehen. In Wahrheit aber schließen die Kommunen 2010 als das finanziell
bisher schlechteste Jahr der Nachkriegsgeschichte ab. Auf rund elf
Milliarden Euro beziffert der Deutsche Städtetag das Gesamtdefizit aller
Kommunen - die bisher höchste Summe überhaupt.
Der Hauptgeschäftsführer des kommunalen Spitzenverbands, Stephan
Articus, schlägt Alarm: Immer mehr Städte geraten trotz striktem
Sparkurs sowie Anhebung von Gebühren und Eintrittsgeldern in eine
Verschuldung, aus der sie sich aus eigener Kraft gar nicht mehr befreien
können. In Nordrhein-Westfalen muss nach seinen Angaben schon fast jede
dritte Kommune mit einem Nothaushalt leben. Das heißt, sie unterliegt
mit strengen Auflagen der Kommunalaufsicht des Landes und darf
beispielsweise kaum mehr als Pflichtausgaben tätigen, nur in
Ausnahmefällen Neueinstellungen vornehmen, Personal befördern und neu
ausbilden.
Bibliotheken,
Schwimmbäder und manchmal auch Theater sind in besonders notleidenden
Kommunen ohnehin schon geschlossen worden. Doch an einer Stelle können
und dürfen auch die am höchsten verschuldeten Städte nicht sparen,
nämlich den Sozialausgaben. Auf rund 42 Milliarden Euro dürften sich die
Kosten der Kommunen dafür im zu Ende gehenden Jahr belaufen. Das ist
mehr als doppelt so viel wie noch vor 20 Jahren. Vor allem die den
Städten obliegenden Ausgaben für die Unterkunft von Hartz-IV-Beziehern,
die Grundsicherung älterer Menschen mit nur geringer Rente, die
Jugendhilfe, für Pflegebedürftige und die Eingliederung Behinderter sind
regelrecht explodiert und steigen weiter.
Kein Geld für soziale Vorsorge
Wenig bis gar kein Spielraum bleibt angesichts dieser Pflichtausgaben
noch für soziale Vorsorge, die den Kommunen laut Articus viel wichtiger
wäre: "Es ist doch besser Geld dafür auszugeben, dass die Menschen erst
gar nicht in eine Randlage geraten, als dann hohe Summen für deren
Lebensunterhalt." Was den Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags
besonders aufbringt, ist die Tatsache, dass Bund und Länder selbst in
der Krise nicht aufhören, den Kommunen per Gesetz immer wieder neue
Aufgaben zuzuweisen, ohne auf die Folgekosten zu achten.
Müssen die Städte
ohnehin viel Geld für den Ausbau der Kinderbetreuung aufbringen, um den
gesetzlichen garantierten Rechtsanspruch der Eltern zu erfüllen, sind
erst in jüngster Zeit wieder neue Belastungen hinzugekommen. So
vergrößert die Anhebung der Zuverdienstgrenzen für Bezieher des
Arbeitslosengelds II den Kreis der Anspruchsberechtigten. Und für deren
Unterkunft müssen wiederum hauptsächlich die Kommunen aufkommen. Auch
die Streichung des Wohngelds für Kinder von Hartz-IV-Beziehern trifft
somit die Städte. Und der Wegfall der Rentenbeiträge für
Langzeitarbeitslose wirkt sich mit höheren Ausgaben für die
Grundsicherung bei den Kommunen aus, wenn die Betroffenen einmal älter
sind.
Wenig Einfluss auf Gesetzesänderungen
Nach geltender Rechtslage aber haben die Städte noch nicht einmal
einen Anspruch auf Anhörung bei derartigen, sie betreffenden
Gesetzesänderungen. Articus fordert daher bessere Beteiligungsrechte für
die Kommunen im Gesetzgebungsverfahren. Für "absolut unabdingbar" hält
er es zudem, eine Abschätzung der Kostenfolgen aller für die Kommunen
relevanten Gesetzen verbindlich festzuschreiben und die kommunalen
Spitzenverbände verbindlich daran zu beteiligen. Das sogenannte
Konnexitätsprinzip, wonach die Kosten für Aufgaben immer von der jeweils
verantwortlichen Ebene zu tragen sind, steht nämlich oft nur auf dem
Papier. So mussten die nordrhein-westfälischen Städte erst vor dem
Verfassungsgerichtshof des Landes den Anspruch erstreiten, Geld für die
Umsetzung des Kinderförderungsgesetzes vom Land zu bekommen.
Wie
dramatisch die Lage ist, belegt Articus mit eindrucksvollen Zahlen: Das
Defizit von elf Milliarden, das nach den Berechnungen auch im kommenden
Jahr nicht geringer ausfallen wird, übertrifft nicht nur die 7,2
Milliarden des Vorjahrs, sondern auch die bisherige Rekordsumme von 8,4
im zuvor schlimmsten Krisenjahr 2003. Die kurzfristigen Kassenkredite,
die eigentlich nur zur Überbrückung vorübergehender Engpässe in Anspruch
genommen werden dürfen, machen in diesem Jahr sage und schreibe 40,5
Milliarden Euro aus. Immer mehr hoch verschuldete Städte setzen die
Gelder notgedrungen zur Finanzierung laufender Aufgaben ein.
Die
Gewerbesteuer als wichtigste Einnahmequelle der Kommunen floss 2010 mit
rund 34,6 Milliarden wieder etwas stärker als die 32,4 Milliarden im
Krisenjahr 2009, liegen damit aber immer noch deutlich unter den 41
Milliarden von 2008. Und die Investitionen, die im Zuge des
Konjunkturpakets trotz der Finanznot der Kommunen wieder stiegen,
dürften laut Articus 2011 nach dem Auslaufen dieser Maßnahmen wieder
sinken. Keine gute Aussichten auch für den örtlichen Mittelstand, der
von solchen Aufträgen der Kommunen lebt. http://nachrichten.t-online.de/rekord-defizit-deutsche-staedte-in-not/id_43846008/index
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